Tirol will eine der klimafreundlichsten Tourismusregionen des Alpenraums werden. Dazu wurde kürzlich einiger Anschub geleistet - mit der Tourismusstrategie des Landes Tirol „Der Tiroler Weg“ und NachhaltigkeitskoordinatorInnen in den Tourismusverbänden. Doch kann Nachhaltigkeit tatsächlich über kurzfristigen Gewinn trumpfen oder ist dieses Ziel für eine Hochburg des Tourismus zu groß angesetzt? Das Projekt CLAR – Clean Alpine Region zeigt in der Praxis auf, dass nachhaltiges Wirtschaften im Tourismus breiten Mehrwert bringt und gelingen kann.
Tirols Berge, klare Bäche und Seen, saftige Wiesen und blühende Almlandschaften sind Naturjuwel und Lebensgrundlage zugleich. Sie sind das Fundament, auf der die bemerkenswerte Erfolgsgeschichte des Tiroler Tourismus der letzten 70 Jahre beruht.
Ehemals verarmte Gemeinden tief in den Tälern stiegen auf zu europaweit bekannten Skimetropolen. Der Tourismus boomte und brachte der Bevölkerung Wohlstand und Lebensqualität. Heute ist er ein zentraler Wirtschaftsfaktor in Tirol: jeder dritte Euro wird im Tourismus verdient und jeder vierte Vollzeitarbeitsplatz findet sich in touristischen und tourismusnahen Betrieben.
Unumstritten war dieser Erfolg nicht immer. Mit der Piefke Saga wies Felix Mitterer bereits Anfang der 90er Jahre mit beißendem Sarkasmus und gesellschaftskritisch auf die Auswüchse und negativen Folgen eines uneingeschränkten Tourismus hin.
Unbestreitbare Tatsache ist jedenfalls: Die beeindruckenden Naturlandschaften sind eine essenzielle Grundlage der touristischen Angebote im Land. In kaum einer anderen Branche ist der Einfluss funktionierender Ökosysteme auf den ökonomischen Erfolg so direkt greifbar wie im Tourismus. Kostenreduktionen im Energiebereich, erhöhtes Innovationspotenzial in den Unternehmen und Wettbewerbsvorteile sind weitere Treiber.
So kann der Tourismus eine Schlüsselrolle übernehmen bei Klimaschutz, Klimawandelanpassung und Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten. Denn internationale Megatrends wie Nachhaltigkeit und Neoökologie werden immer stärker spürbar und der Druck seitens der Gäste und aus der eigenen Bevölkerung steigt. Eine weitere Zäsur brachte die Corona-Pandemie.
Um touristische Zukunftssicherheit zu erreichen wurde daher 2020 u.a. das Projekt CLAR – Clean Alpine Region gestartet, ein Projekt der Lebensraum Tirol Holding Gruppe und Leuchtturmprojekt der Tiroler Nachhaltigkeits- und Klimastrategie.
Etliche Tiroler Regionen haben bereits Initiativen vorzuweisen, im Rahmen des Projekts CLAR wurden diese gebündelt und gestärkt in einem holistischen Ansatz mit neuen Projekten, die im Rahmen der Ausschreibung einzureichen waren. Großen Wert wurde dabei auf eine fachliche Breite und Vielfalt der Maßnahmen gelegt. Die Dekarbonisierung des gesamten Energiesystems, der Erhalt und der Schutz der Böden und der Biodiversität und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, die soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung berücksichtigt, spielen bei allen Aktivitäten eine wichtige Rolle.
So setzten die vier CLAR-Regionen Kaunergrat, Pitztal, St. Johann – Kitzbühler Alpen und Kufsteinerland in den letzten eineinhalb Jahren Projekte in den verschiedensten Themenbereichen um. Dazu gehören zum Beispiel maßgeschneiderte Elektromobilitätsangebote, die Zusammenarbeit mit Gästen und Einheimischen um das alltägliche Leben klimaverträglicher zu gestalten, der Einsatz erneuerbarer Energien beim Heizen mittels eines „Raus aus dem Öl“-Carefree-Pakets, die Optimierung von Beschneiungsanlagen und Speicherteichen, die Qualifizierung von Unternehmen in den Regionen und die Vermarktung regionaler Produkte, die Energiegewinnung aus Speiseresten der Berggastronomie, die Revitalisierung eines Speicherteichs als Naherholungsgebiet oder die Warmwasseraufbereitung durch Wärmepumpen und Photovoltaik.
Der Mehrwert, der durch das Projekt generiert werden konnte, ist vielfältig:
• Unterstützung einer nachhaltigen, integrierten Regionalentwicklung und regionaler Wertschöpfung im Einklang mit den Tiroler Strategien und in Synergie mit nationalen und internationalen Zielen.
• Aufgrund der klugen Projektorganisation Stärkung und Intensivierung der Zusammenarbeit auf Landesebene, zwischen Land und Regionen und auf lokaler Ebene.
• Aufbau einer sich befruchtenden Community, die stärker ist als ihre einzelnen Teile.
• Skalierbarkeit der Ergebnisse und Bewertung auf Basis internationaler Standards über das Österreichische Umweltzeichen für Destinationen.
Wir erreichten internationale Aufmerksamkeit: die NECSTouR, die europäische Interessensvertretung nachhaltiger Regionen, kommunizierte die CLAR-Regionen als Vorreiter. Die am Projekt teilnehmende Region Kaunertal wurde im Dezember 2021 als einzige Region Österreichs mit dem „Best Tourist Village Award“ der UN World Tourist Organisation ausgezeichnet und im Mai 2022 hielt die Vizebürgermeisterin des Kaunertals die Eröffnungsrede zur High Level Thematic Debate on Tourism in den UN Headquarters in New York auf Einladung von Abdullah Sharif, Präsident der UN General Assembly.
Auf ihrem Weg zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit werden die vier CLAR-Regionen von EU und Land Tirol finanziell unterstützt. Zwei weitere Regionen (Alpbachtal und Seefeld) sind als Beobachterregionen in das Projekt miteingebunden. Energie Tirol, Tirol Werbung, die Abteilung Landesentwicklung des Landes Tirol und die Standortagentur Tirol begleiten die Regionen bei der Umsetzung der Maßnahmen. In den Regionen selbst koordinieren CLAR-Manager und Managerinnen in Zusammenarbeit mit TVB und Regionalmanagement die Arbeit für ein gesundes Leben und Wirtschaften in der alpinen Natur.